Die Küche (von Christoph Frick)

Die Großküche von Palmasola in befindet im PC 1, also auf der großen Fläche, die die einzelnen Segmente der Gefängnisanstalt umgibt. 

Auf diesem Areal befinden sich unter anderem auch die Halle für die Eingangskontrolle, die Zentrale der Polizei, die Müllsammelstelle, eine Art Kindergarten, Weideflächen für die Polizeipferde und der gefürchtete große ‚El Bote’ (das Gefängnis im Gefängnis).

Die Küche ist in einer mittelgroßen Lagerhalle untergebracht.  Über den Mauern und unterhalb des Wellbechdaches gibt es eine Lücke von ca. zwei Metern ohne Fenster, so dass der Dampf und die Hitze abziehen können. Der Boden ist wellig und furchig und besteht, bis auf wenige Keramikflächen, aus Zement. In mehreren Reihen hintereinander, auf ca. 60 cm Höhe, sind die Kochstellen, die mit Gas befeuert werden, im Boden verschraubt. Ich glaube, es waren elf Reihen mit je drei großen, schwarzen Gaskochern, auf die die zerbeulten 45 Liter Aluminiumtöpfe passen. Zwischen den Kochstellen befinden sich Metallgitter, so dass sich links und rechts von den Gaskochern jeweils eine Person draufstellen kann, denn man muss die schweren Töpfe zu zweit herunterheben um das Essen für die Verteilung in kleinere Töpfe umzufüllen. Gekocht wird jeden Tag für 5.600 Personen. Die Töpfe mit Essen werden von der Küche auf Schubkarren in die unterschiedlichen Areale des Gefängnisses gebracht. Das Essen aus der Großküche nennt sich ‚El Rancho’. Im deutschsprachigen Internennt kursieren immer noch Informationen, dass dieses Essen aus Schlachtabfällen zubereitet wird. Diese Zeiten scheinen aber vorbei zu sein.

Der Küche steht ein Koch aus Santa Cruz vor. Als wir ihn begrüßten, trug er eine weiße Kochuniform und er hätte seinem Aussehen nach gut in ein Mittelklasse-Restaurant gepasst. Er erzählte uns, dass er anfangs große Angst hatte, sich unter die Gefangenen zu mischen. Heute betrachtet er seine Arbeit, im Gegensatz zu seiner Ehefrau, nicht mehr als besonders gefährlich. Am 14. März, am Tag der Großrazzia, hatte ihm die Polizei den Zugang verweigert, weshalb er vergeblich zwei Stunden in einem der einfachen Restaurants vor dem Eingangstor wartete. Er konnte erst mehrere Tage später seine Arbeit fortsetzen. Das war die Woche, in der die Gefangenen Hunger litten und teilweise Katzen und Hunde aßen.

Das Kochpersonal, das sich aus Gefangenen rekrutiert, umfasst über 50 Personen und besteht vorwiegend aus Männern. Frauen sind vor allem in der Vorbereitung der Zutaten beschäftigt, da die Arbeit mit den 45 Liter Töpfen für sie zu schwer und damit zu gefährlich wäre. Als Arbeitsuniform ziehen sich Männer wie Frauen schwere weiße Plastikschürzen über die Privatkleidung.

Der Einkauf und die ganze Logistik der Gefängnisverpflegung wird von einer Cateringfirma aus Santa Cruz abgewickelt. Sie stellt auch den Speisezettel mit den unterschiedlichen Menüs zusammen, der jede Woche variiert, und macht die Bestellung der Zutaten. Jede Woche gibt es ein ‚especial’, also ein Menü, das etwas aufwendiger ist. Das Rezept für das Sonntagsessen findet sich weiter unten.

Das vom Staat übernommene Budget für das Essen beträgt 8 Bolivianos, also ca. 1 € pro Tag. Damit müssen die Unkosten für Frühstück, Mittagessen und Abendessen bezahlt werden, aber auch das Gas, das zum Kochen benötigt wird, sowie die Infrastruktur der Küche, also Kühlhaus, Gaskocher, Maschinen, Messer etc., vor allem aber auch die Gehälter des Küchenpersonals. Durchschnittlich bekommt ein Gefängnisinsasse, der in der Küche arbeitet, 1.100 Bolivianos pro Monat. Die Jobs in der Küche sind unter den Insassen äußerst begehrt. Seit drei Monaten hat der bolivianische Staat der Catering Firma kein Geld mehr überwiesen. Deshalb aber die Küche und damit die Verpflegung für den Großteil der Gefangenen einzustellen ist aus humanitären Gründen und wegen der Gefahr von Rebellion undenkbar.

Das Mittagessen wird vom Kochpersonal ab 9 Uhr vorbereitet und muss um 11.30 Uhr fertig sein, um ausgeliefert zu werden.

Hier kommt das Rezept für

Pollo con Tallarines / Huhn mit Nudeln

‚Especial’ - Sonntagsgericht

Mengenangaben (inklusive Gasverbrauch) für 5.600 Gefängnisinsassen in der Haftanstalt Palmasola

·               1350 kg Huhn 

·               250 kg Blumenkohl 

·               250 kg Brokkoli 

·               100 kg grüne Paprika

·               100 kg rote Paprika

·               50 kg Karotten

·               10 kg Ingwer

·               25 Stück Stangensellerie 

·               2 Kisten Zuchini

·               2 Kisten Achocha (wilde Gurke)

·               20 kg rote Zwiebeln

·               6 kg grüne Zwiebeln 

·               12 kg kleine weisse Zwiebeln

·               2 kg Knoblauch

·               17 Säcke à 23 kg Tallarínes (391kg Nudeln)

·               3 Kanister Öl à 60 Liter (180 Liter Öl)

·               44 Säcke à 500 gr Salz ( 22 kg Salz)

·               2 kg Pfeffer 

·               2 kg Kümmel

·               ½ Schachtel Hühnerbrühe (in Pulverform) “Doña Gusta” 

·               825 Liter Wasser

·               33 Töpfe à 45 Liter

·               33 Gasflaschen

Viel Spass beim Nachkochen! Wir haben das gestrige Abendessen, Milchreis mit Zimt, probiert, der mehrmals in der Woche abends auf dem Speisezettel steht. Richtig gut geschmeckt hat es nicht. Der Reis war klebrig süss. Die Milch verdünnt. Aber im Vergleich zum Essen z.B. in manchen WGs auch gar nicht so schlecht...